JUNG UND SPRITZIG

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Ich fühl mich jetzt endlich wieder jung. Jung und spritzig. Und daran ist nicht einmal eine Hautcreme schuld. Ich muss mich gar nicht von oben bis unten einschmieren, damit sich mein alter Körper wieder straff und jung anfühlt. Es reicht, wenn ich jeden Tag drei Kapseln schlucke. So verspricht es die Pharmafirma auf dem Beipackzettel und im Fernsehen. Drei Kapseln am Tag und Sie fühlen Sich wie neugeboren, oder so ähnlich ging dieser Werbeslogan. Aber nicht, was Sie jetzt denken, nicht irgend so ein billiger Scheiß aus dem Fernsehen, aus so einer Dauerwerbesendung, in der sich drei verrunzelte alte Frauen gegenübersitzen und auf einem kleinen Verkaufstischchen in ihrer Mitte eine Packung Tabletten steht, die perfekt in Licht und Szene gesetzt wurde und deren Inhalt von allen Alterserscheinungen befreien soll. Wobei verrunzelt sind die ja meistens nicht. Für unser Publikum vor den Fernsehgeräten nur das Beste aus den Salons der plastischen Zauberchirurgen der Creme de la Creme. Tadaaaa, ein Wunder.

Nein, alles echt und von seriösen Firmen getestet und kontrolliert. Und die Werbung ist eine echte Fernsehwerbung. Also nicht so lang und übertrieben, dafür aber wirklich gut gemacht und außerdem hat es mir eine Freundin empfohlen, die es auch schon lange nimmt. Ein bisschen skeptisch war ich am Anfang dann nämlich doch noch. Aber sie hat mir bestätigt: Kein Hokuspokus, kein doppelter Boden. Ein echtes Heilmittel. Nicht einmal mit Rückgabegarantie. Warum? Ist doch klar! Das braucht so ein Medikament ja nicht. Und Sie bekommen auch nicht noch eine Packung gratis dazu, wenn Sie jetzt gleich anrufen. Die 27 Euro pro Kapsel muss es Ihnen schon wert sein, das medizinische Lifting. Schließlich muss niemand an Ihnen herumschnipseln. Es gibt keine Narben. Also wirklich gar keine Nachteile. Naja, kaum welche.

Jetzt bin ich nämlich drauf gekommen, dass die Kapseln in China von Koreanern erzeugt werden. Schlimmer geht’s wohl echt nicht mehr. IN China und VON Koreanern. Die haben bestimmt nicht viel verdient dabei, weil faire Kollektivverträge haben die dort ja nicht, in Nordkorea. Und wie ich das so im Internet lese, kommts dann doch noch schlimmer: In den Kapsel ist die Asche von toten Kindern. Also „pulverisiertes Menschenfleisch von toten Babys und Föten“. Irgendwie grauslich, aber es hilft halt. Scheinbar geht das nur so, wenn man wieder jung sein will. Dabei hat mir die Apothekerin versichert, dass es ein wirklich gutes Produkt ist. Also unter ethisch korrekten Rahmenbedingungen hergestellt und alles „bio“. So hat sie es gesagt, ja. Und das es gegen Krebs auch helfen soll, wenn sonst wirklich nichts mehr hilft, ist natürlich auch ein Punkt auf der Liste mit den Vorteilen. Eigentlich hat es ja nur Vorteile, mein Wundermittel, bis auf das mit der Kinderasche eben.

Und damit auch alles bewiesen ist, haben die auch noch DNA-Tests gemacht! Und wirklich: Die Untersuchungen haben ergeben, dass „sie zu 99,7 Prozent aus menschlichem Material bestehen.“ Irgendwie ja schon toll, was die Wissenschaft und die Technik heutzutage schon alles können. Also jetzt nicht wegen der DNA-Tests, sondern dass die auf solche Sachen kommen. Irgendwas muss man mit den ganzen toten Menschen ja machen, vor allem in China, wo es eh so viele davon gibt. Wenn man die nur vergraben würde, dann gäbs auf der Welt ja bald nichts mehr außer halb verwesten Leichen, oder? Denn rein mathematisch gibt es mehr tote als lebendige Menschen und so schnell verwesen die eben auch nicht. Irgendwas muss man also machen und wenn es dann auch gleich noch so hilfreich ist, für einen wie mich, dann ist es doch gleich doppelt gut!

Was aber schon blöd und ein bisschen makaber ist: Die Schmuggler, also die Angestellten der Pharmafirma, haben das Zeug in die ausgehölten Bäuche der Teddybären mancher der kleinen Fratzen gesteckt, die verfrüht „das Hangerl gworfen“ haben und so versucht, die Grenze nach Südkorea zu passieren, von wo aus mein Wundermittel nach Europa hätte verschifft werden sollen. Doch den Lastwagen mit Teddybären, die nach frisch Gegrilltem gerochen haben, dürften die denen dann doch nicht abgekauft haben. Und deshalb: Ende Gelände. Aus die Maus. Vorbei mit der Hexerei.

Mein Problem ist jetzt, dass die kleinen Falten unter den Augen langsam aber sicher wieder an ihren angetrauten Platz zurückkommen und mein alter Freund der Lungenkrebs sich auch gerade wieder einnistet. Tja, dann bleibt mir doch nichts anderes mehr übrig, als wieder meine allabendlichen Streifzüge durch die Krankenhäuser der Wiener Randbezirke zu machen und mir von den Böden der Kreißsäle ein paar liegen gelassene Mutterküchlein für den Nachtisch zu holen.

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