Was ist Talent? Wann ist man hochbegabt? Gerade habe ich einen netten Abend mit Freunden verbracht und in der Unterhaltung, in den Unterhaltungen sind mehrmals die Worte Talent und Begabung gefallen. Mein erster Gedanke: Sowas gibt’s nicht. Weil: Alle Menschen können alles lernen. Es kommt nur auf den Fokus an (siehe dazu der vorletzte Artikel von Dominik Radl). Mein zweiter Gedanke: Red doch nicht so einen Blödsinn. Find erst einmal heraus, was Talent überhaupt bedeutet.
Also. Klack. Klack. Klack. Noch während sich die anderen unterhalten haben, ins Smartphone reingehämmert. Mal schauen, was Wikipedia dazu sagt. Erstes Suchergebnis:
Talent steht für:
- antike Massen- und Währungseinheiten, siehe Talent (Einheit)
- Attisches Talent
- neuzeitliche Währungseinheiten, siehe Liste der Regionalgelder
- eine überdurchschnittliche Begabung
- die Eisenbahn-Triebwagen Bombardier Talent und Bombardier Talent 2
- Talent (Fluss)
- Talent (Kartoffel)
Unter dem dritten Punkt das erste ansprechende Ergebnis. „Talent steht für: eine überdurchschnittliche Begabung.“ Also geht’s weiter zu Begabung. Klick. Erster Satz: „[…] eine besondere Leistungsvoraussetzung einer Person in einem bestimmten Gebiet.“ Zweiter Satz: „[…] eine oder mehrere überdurchschnittliche Fähigkeiten.“ Soviel zur Einleitung zum Artikel. Die hat mich bislang noch nicht weitergebracht.
Dann hab ich kurz auf „Herkunft des Wortes Talent“ geklickt und bemerkt, dass es tatsächlich von der „antiken Massen- Währungseinheit“ abstammt. Goes to show you, dass eigentlich gar nicht erst der dritte Punkt eine richtige Antwort geliefert hat. Danach weiter zu „Allgemein zur Diskussion um Begabung“. Und da denk ich mir, oha, also gibt es eine Diskussion um das Wort. Scheinbar bin ich nicht der erste, der die Bedeutung des Wortes hinterfragt hat.
ALLGEMEIN
Zuerst eine sechszeilige Litanei, davon relevant der erste Satz: „Es wird behauptet, dass es Begabungen in den verschiedenen Wissens- und Könnensbereichen gibt, die sich im Allgemeinen auf intellektuelle, künstlerische oder sportliche Fähigkeiten beziehen.“ Danach steht geschrieben, dass es 52 Gene gibt, die eine Auswirkung auf die sportliche Leistungsfähigkeit haben. Und noch ein paar Zeilen, die ich schneller lese, weil sie erst einmal nicht relevant scheinen. Und dann kommt eine Art Liste, die Begabung, wie im ersten Satz, in verschiedene Bereiche aufteilt – also kognitive Begabungen, wie Intelligenz, Gedächtnis, Mathematik usw.; Musik, Sprache, Unterhaltung; Bewegungskoordination, also Sport, Handwerk und Geschicklichkeit; und Organisationstalent. Das hat mich bislang auch noch nicht weitergebracht. Vielleicht gibt der nächste Absatz mehr Aufschluss.
Da steht: „Begabungen setzen stets auch eine genetische Komponente voraus.“ Okai. Hier wird’s interessant. Das hört sich nach etwas Griffigem an. Nicht mehr so schwammiges Gelaber. Also die Genetik. Da fällt mir auf, dass ich das weiter oben bei den 52 Genen und dem Sport auch schon gelesen habe, mir dort aber gedacht hab: Ein Schas. Warum sollten meine sportlichen Leistungen von meinem Erbmaterial abhängen? Wenn ich mich genug anstrenge, mich ausreichend fokussiere, dann kann ich alles schaffen! Also weiter:
VORAUSSETZUNGEN UND NEU-DEFINITION
„Spezifische leistungsfördernde Persönlichkeitsfaktoren, familiäre, schulische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen sind jedoch ebenso unerlässlich (vgl. Heid/ Fink 2004). Dazu zählen Elternhaus, Schule und alle anderen Faktoren der Ausbildung und Umwelt, ohne die keine Hochleistung denkbar ist.“
Also wieder Blablabla. Alles Schwachsinn. Familie. Schule. Ausbildung. Umwelt. Das sind alles Bestandteile von Erziehung. Oh, Halt! Doch kein Schwachsinn. Das Wort „Hochleistung“ ist zwar scheiße. Aber ich gehe vom Anfang aus: Wenn man das Kind so sein lässt, wie es ist, dann ist das auch eine Art von Erziehung. Aber eben nicht die Erziehung, die versucht, das Kind zu dem zu machen, was man gerne in ihm sieht, sondern die den Menschen sich entwickeln lässt.
„Voraussetzung sind Zuneigung, Respekt und Vertrauen. Kostenlose Dinge, die allen Menschen zugänglich sind. Den Rest bringt das Kind mit: Spielen, Imitieren, Imaginieren, Begeisterung, Neugierde, Verbundenheit und Wachstum sind angeborene, spontane Veranlagungen des Menschen. Damit kommen wir alle auf die Welt.“
Andrè Stern, alphabet
Man lässt das Kind so sein, wie es eben ist. Man respektiert es, schenkt ihm Zuneigung und Vertrauen, dann entfaltet sich seine freie Begabung. So kann man das stehen lassen.
Damit ist eine/die Begabung aber etwas, was (unter diesen Voraussetzungen) jeder Mensch besitzt. Jeder Mensch ist einzigartig und hat seine eigene Begabung. Damit egalisiert sich also der Begriff der Begabung, des Talents, wie er, zumindest in meinem Umfeld, meistens verwendet wird. Nämlich in seiner Bedeutung aus der Masse herausstechen. Die Sprache ist immer von den Begabten, so als wären das nur einige Wenige, die es da gibt. Man sagt, schau wie die Gitarre spielt, die hat Talent. Oder schau, wie der rechnen kann, der ist hochbegabt. Man meint, dass die Begabten das nur deshalb können, weil sie eben begabt sind und Talent haben. So ist das aber nicht. Oder nur teilweise. Im Sinne von jeder ist einzigartig, kann jeder etwas so richtig gut. Nämlich das, wofür sich der Mensch begeistert, wenn man ihn nur sein lässt. Und das bereitet Spaß, macht glücklich und zufrieden.
Aktuell ist das natürlich nicht so. Weil die Voraussetzungen, wie von Andrè Stern beschrieben, bestimmt nicht viele Menschen in ihrer Kindheit erhalten (haben) und damit zunichte gemacht wurde/wird, was den Menschen wirklich ausmacht. Im Grunde, in der Theorie, und die ist nicht weit hergeholt und leicht umsetzbar (ich betone erneut: die Voraussetzungen sind kostenlos und jedem Menschen zugänglich) ist das so definierte Begabungskonzept auf jeden Menschen anwendbar. Ist damit meine Frage nach Talent und Begabung beantwortet? Oder hat sich die Katze in meinem Hirn gerade in den Schwanz gebissen… Nein. Es ist alles klar. Begabung und Talent gibt es nicht, nämlich nicht so, wie wir diese Worte verwenden. Ich lese den Wikipedia Artikel trotzdem noch zu Ende:
FRÜHER UND NOCH FRÜHER
„Studien zeigen, dass bei stark begabten Menschen eine erhöhte Hirnaktivität im entsprechenden Bereich messbar ist. Außerdem sind gewisse Hirnregionen (geringfügig) stärker ausgeprägt als beim Durchschnitt. Diese Ausprägung entwickelt sich vor allem durch frühe Förderung bzw. Stimulation gewisser Fähigkeiten und somit der entsprechenden Hirnregionen.“
Das bedeutet, dass das, was das Kind wirklich ist, durch „frühe Förderung bzw. Stimulation“ verändert wird. Dann ist es aber nicht mehr begabt. Außer die Förderung bedeutet, dass man das Kind respektiert. Ich fördere mein Kind, indem ich ihm ermögliche, seinen „angeborenen, spontanen Veranlagungen“ nachzugehen. Seine Neugier frei auszuleben. Sich frei zu entfalten. So passt das dann mit der Förderung und Stimulation auch wieder.
„Ausnahmen bilden hier natürlich Begabungen, die auf besondere körperliche Eigenschaften zurückzuführen sind. So hängt die Begabung eines Sängers in erster Linie mit seiner Stimme, d. h. mit der Anatomie seines Stimmorgans, zusammen.“
„Dass Talent genetisch bestimmt sei, ist häufig auch bestritten worden. So war z. B. der Musikpädagoge Shinichi Suzuki ein radikaler Gegner der Auffassung, dass musikalische Begabung (auch: Spitzentalent) irgendeine andere Ursache habe als früh einsetzende Gehörschulung und tägliches intensives Üben. Suzuki hat immer wieder argumentiert, dass Talentforschung nicht an Neugeborenen durchgeführt werde, sondern an Kindern, die bereits jahrelang musikalische Stimulation und Förderung erhalten bzw. nicht erhalten haben. (siehe Frühkindliche Bildung, Frühkindliche Entwicklung)“
Da kommt wieder das mit der Genetik und gleich als Gegenargument das Stichwort Fokus. Dem Begriff von Begabung, dem ich auf der Spur bin, also all das, was aus dem eigentlich Wesen des Menschen in der Kindheit entwächst, widerspricht die Argumentation mit der Genetik eigentlich nicht. Dass das Kind eine Mischung der Gene der Eltern ist, lässt sich nicht bestreiten. Und wenn man dem Menschen die Möglichkeit gibt, sich zu entwickeln und ihn nicht einschränkt, dann entwickelt er sich auch ganz natürlich so, wie er soll. Also in erster Linie wie es in den Genen steht und wie die Umweltbedingungen gesetzt werden. Und da drängt sich der Gedanke mit der genetischen Determination auf, aber das passt mir nicht so recht. Ich bin nicht meinen Genen ausgeliefert, wenn es um Begabung geht. Deutlich wird das bei der Betrachtung von Ausnahmen: Natürlich wirkt sich ein verändertes Erbgut, ein Gendefekt, eine biologische Mutation auf den Organismus aus, aber warum sollte das bedeuten, dass man dann weniger begabt ist? Dass ein Gendefekt Begabung verhindert, kann man nur dann so stehen lassen, wenn Begabungen, das Können und Leistungen aneinander gemessen und miteinander verglichen werden. Und Vergleiche führen zu einem Konkurrenzdenken, das weder angeboren, noch natürlich ist und nichts mit Verbundenheit zu tun hat. Deshalb noch einmal: Jeder Mensch ist einzigartig. Obwohl ich mich meine Neu-Definition vom Begriff und von der Verwendung von Begabung schon ganz für sich gewonnen hat, lese ich noch den letzten Absatz und zerlege ihn danach:
ABSCHLIESSEND
„Begabung äußert sich durch eine relativ frühe spezifische Ansprechbarkeit, für ein bestimmtes Material, eine bestimmte Aufgabe, eine bestimmte Sache. Der Begabte verspürt zudem eine Neigung, für dieses Material usw. interessiert zu werden (vgl. Roth 67, 24-33). Im Falle einer Begabung zeigt sich auch eine lustbetonte Leichtigkeit im Umgang mit der Bemeisterung dieses Materials etc. Ein Begabter kann sich durchaus für seinen Stoff aufopfern, da dieser ein gesteigertes Bedürfnis hat, auf seinem Gebiet mehr zu erleben. Außerdem ist die begabte Person ständig unzufrieden mit den bereits erlangten Leistungsstufen, was die Anstrengungsbereitschaft in diesem Bereich erhöht. Wissenschaftler bezeichnen es als „produktive Unzufriedenheit“. Wachsendes Selbstvertrauen ist ein weiterer Indikator einer Begabung, da ein Talentierter (= Begabter) weiß, wie sehr er seine Materie, Aufgabe, Sache… beherrscht. Schließlich führt dies dazu, dass ein Begabter auf seine überdurchschnittlichen Fähigkeiten vertraut. Ein begnadeter Sänger z B. würde sich eher wagen, vor einem Publikum aufzutreten, als ein nicht-singbegabter Mensch. Begabung begünstigt selbstständige und/oder schöpferische Produktivität. Der Begabte kreiert Neues (manchmal Geniales)).“
In dem Absatz stehen viele richtige Beobachtungen. Mittlerweile interpretiere ich alles nur noch nach meiner Definition von Begabung. In dem Absatz ist aber immer die Rede von dem Begabten. Wenn man von dieser Differenzierung von Nicht Begabten und Begabten absieht, dann stimmt ein Großteil des Inhaltes. Natürlich verspürt der Mensch eine Neigung das zu machen, was ihn glücklich macht. Und „Lustbetonte Leichtigkeit“ und „sich aufopfern“ bedeutet nur, dass der Mensch Spaß hat bei dem was er tut und um das zu tun auch Grenzen überschreitet, was jemandem, der nicht frei seinen Intuitionen nachgeht, als Aufopferung erscheinen kann. Ungut wird’s erst bei der „produktiven Unzufriedenheit“. Man muss sich nicht ständig, auch nicht produktiv, unzufrieden fühlen, nur um mehr von dem machen zu wollen, was einem Spaß bereitet. Das geht in die falsche Richtung. Und zuletzt: Dass der Mensch ein „wachsendes Selbstvertrauen“ entwickelt, wenn er nicht nach fremden Richtlinien verbogen wird, ist ganz selbstverständlich. Der Vergleich am Ende lässt sich ohne zu zögern streichen. Er ist unnatürlich und basiert auf dem veralteten Konkurrenzdenken.
RESÜMEE UND DANN?
Ich fasse für mich zusammen: Jeder Mensch ist begabt. Die Bedeutung des Wortes, wie bisher bekannt, ist in dem Moment zunichte gemacht, indem jeder einzelne Mensch erkennt, dass er einzigartig ist und in dieser Einzigartigkeit mit allen anderen Menschen verbunden ist. Ein Kind das respektiert wird, dem man Zuneigung und Vertrauen schenkt, entfaltet seine freie Begabung, indem es spielt, indem es seiner Begeisterung und Neugierde folgt und folgen kann. Es ist schon fast überflüssig, noch ein weiteres Mal zu bemerken, dass das uns angelernte Konkurrenzdenken unnatürlich ist. Trotzdem habe ich das hier noch einmal festgehalten. Warum ich das gemacht habe, schreibe ich im nächsten Artikel.
Für gestern und heute, war es mir eine besondere Freude, den Werdegang meiner Gedanken möglichst schrankenlos zu notieren, und damit nicht nur das Ergebnis meiner Überlegungen offenzulegen, sondern auch den Weg dorthin. Bleibt die Frage, wie es jetzt weitergeht? Die Gier nach Besserungsvorschlägen, ist ja immer unstillbar. Was machen, damit sich etwas ändert? Was kann ich jetzt machen?
(Erstens) Wie das so ist, hat Dominik Radl eine gute Antwort darauf: NICHTS TUN. Alles ausschalten und sich selbst spüren. Sich selbst bewusst wahrnehmen. Auch die Gedanken, die sich in der Stille bilden, nicht einfach passieren lassen, sondern beobachten. Sich Schritt für Schritt näherkommen und sich kennenlernen.
(Zweitens) So oft wie möglich alles anwenden, was nach dem Lesen dieses Artikels an neuen Erfahrungen vorhanden ist. Sich selbst respektieren, eine Zuneigung zu sich selbst entdecken, sich selbst vertrauen. Sich die Freiheit geben, spontanen Eingebungen zu folgen, alles zuzulassen was in die Welt hinaus will. Die Kreativität. Die Phantasie. Und
(Drittens) Sich selbst befreien, von dem, was man als ultimativ richtig empfindet und einmal Gelernt hat. Besser als Gerald Hüther kann ich das selbst nicht formulieren und verabschiede mich mit zwei Zitaten aus dem weiterführenden Buch zu dem Film „alphabet“.
„Gerald Hüther sagt, im Laufe seiner Arbeit als Neurologe ist ihm sehr deutlich geworden, wie schnell wir Menschen dazu neigen, uns zu Gefangenen unserer eigenen Vorstellungen zu machen. Sich dagegen zu wehren und sich immer wieder selbst aus den Fängen seiner eigenen inneren Überzeugung zu lösen, ist deshalb für ihn die größte Herausforderung geworden. Anderen Menschen dabei zu helfen, sich von der Macht ihrer einmal entstandenen Denkmuster zu befreien, ist sein zentrales Anliegen.“
Die Autoren Erwin Wagenhofer & Sabine Kriechbaum über Gerald Hüther
„Ein Kind, das auf die Welt kommt, und das diese wunderbaren Vernetzungen im Gehirn hat, mit denen es alles, aber auch alles auf dieser Welt vorhandene Wissen erwerben könnte, so ein Kind hat ja noch keine Vorstellung davon, worauf es ankommt. Es kann ja noch nicht bewerten, was jetzt gefragt ist. Was wichtig ist.
Am Anfang ist alles gut. Da passt das Hirn genau zum Körper. Dann werden eigene körperliche Erfahrungen gemacht. Das Kind lernt dann draußen krabbeln und greifen und all das, was man mit dem Körper machen kann. Es lernt seinen Körper immer besser kennen. Es ist dann ganz zu Hause in seinem eigenen Körper und macht lauter authentische, mit dem ganzen Leib gemachte Erfahrungen, und dieser Erfahrungsboden, der bildet dann den Grund für das sogenannte authentische Selbst. Das ist das echte Stück in jedem von uns, denn das haben wir uns selbst erschlossen. Da hat uns noch niemand erzogen.
Und dann kommt man auf Eltern und später auf Erzieher und später auf Freunde und später auf Lehrer, die mögen einen gar nicht so, wie man ist. Die wollen immer, dass man anders ist. Die haben eine bestimmte Vorstellung davon, worauf es ankommt und was man als Dreijähriger lernen soll, und am besten schon mit zwei Jahren die Geige. Auf alle Fälle im Kindergarten drei Fremdsprachen, weil das die Neurowissenschaftler gesagt haben, ins Muttersprachenzentrum da oben, da passen drei Sprachen rein. Vielleicht passen da auch fünf rein, wenn wir uns Mühe geben. Nur, was diese entscheidende Erfahrung ist, die ein Kind macht, das durch solche Fördermaßnahmen hindurchgegangen ist: Die entscheidende Erfahrung ist, wenn ich im Kindergarten Englisch gelehrt bekomme, obwohl ich doch gar kein Englisch brauche, dann heißt die frühste Erfahrung, die Kinder mit Bildungssystemen machen: Das sind Einrichtungen, in denen man Dinge lernen soll, die man überhaupt nicht braucht. Das ist eine gute Vorbereitung.
Deshalb müssen wir über uns nachdenken und über das, was wir mit den Kindern machen. Wie wir diese wunderbaren Selbstorganisationsprozesse, die im kindlichen Hirn ablaufen, in eine Weise und auf eine Weise manipulieren und in eine bestimmte Richtung lenken, die dann am Ende dazu führt, dass ein Mensch, der eigentlich hochbegabt ist, sich nicht mehr traut.“
Gerald Hüther
Anmerkung: Nachdem ich diese Zeilen zitiert hatte, war ich noch auf der Suche nach einem anderen Zitat von Gerald Hüther, das im Film selbst vorkommt. Das hab ich zwar im Buch nicht gefunden, bin aber bei meiner Suche noch auf eine Reihe anderer Zitate gestoßen, die ich, weil sie in Zusammenhang mit diesem Artikel stehen und hier Sinn machen, auch noch abtippen will. Freilich hatte ich nicht vor, noch einen so großen Block an Zitaten anzuhängen, noch den Artikel so „alphabet“-lastig zu schreiben. Aber ganz nach der Lernerfahrung aus dem vorherigen Artikel, lasse ich mich darauf ein. Es fühlt sich gut an, nicht zu blockieren und nur einmal zu beobachten, wohin der Weg führt.
Für ein ganz besonderes Erlebnis beim Lesen der weiteren Zitate, empfehle ich, ausnahmsweise parallel zum Lesen, den Track von Nils Frahm anzuhören.
Viel Spaß und alles Gute!
“We do have this extraordinary power – I mean the power of imagination. Every feature of human culture is the consequence of this unique capacity. A capacity that has produced the most extraordinary diversity of human culture, of enterprise, of innovation.
But I believe that we systematically destroy this capacity in our children and in ourselves.
I pick my words carefully. I don’t say ‚deliberately´.
I don’t think it’s deliberate, but it happens to be systematic.
We do it routinely, unthinkingly, and that’s the worst of it.
Because we take for granted certain ideas about education, about children, about what it is to be educated, about social need and social utility, about economic purpose.
We take these ideas for granted, and they turn out not to be true.”
Sir Ken Robinson
“People do their best when they do the thing they love, when they are in their element.
The evidence is absolutely persuasive, when people connect to this powerful sense of talent in themselves, discover what it is they can do, they become somebody else.”
Sir Ken Robinson
“…zwei große Grunderfahrungen bringt jeder Mensch mit auf die Welt, und die möchte er auch ständig weiter in seinem Leben verwirklichen. Die eine Grunderfahrung aus dieser vorgeburtlichen Zeit heißt: Ich bin verbunden und ich möchte auch weiter verbunden bleiben. Die zweite Grunderfahrung heißt: Ich bin bisher immer über mich hinausgewachsen, und deshalb hat man die Erwartung, dass es draußen im Leben als Kind auch funktioniert, dass man weiter über sich hinauswachsen kann…
…bedauerlicherweise ist es so schwer, beides unter einen Hut zu bekommen. Denn, um weiter verbunden sein zu dürfen und weiter über sich hinauswachsen zu dürfen, gibt es nur ein Prinzip, wie das verwirklichbar ist, und dieses Prinzip heißt Liebe! Die Liebe ermöglicht es, weiter wachsen zu dürfen und weiter verbunden bleiben zu dürfen, und Kinder, die diese Liebe bekommen haben, haben optimale Voraussetzungen, um ihr Gehirn in dieser komplexen Weise nutzen zu dürfen. Kinder, die das nicht haben, müssen dann erst mal versuchen, diese Sicherheit zu finden, und sind gezwungen, ihr Gehirn für ganz bestimmte Bewältigungsstrategien einsetzten zu müssen…“
Gerald Hüther
„Wie absurd dieses Modell der Konkurrenz ist, die man angeblich braucht, damit man lebensfähig und entwicklungsfähig bleibt, das sieht man ja schon allein daran, wenn man sich vorstellt, was das plötzlich für eine Situation wäre, wenn in meinem Körper die Lunge gegen die Leber anfangen würde zu kämpfen, und jeder dem anderen zeigen wollte, wer das bessere Organ ist. So kann eine menschliche Gemeinschaft nicht funktionieren!
Worauf es ankommt, wenn diese menschliche Gemeinschaft sich wirklich gemeinsam auf den Weg machen will, ist, dass sie zusammenwirkt. Dass jeder auf seine besondere Weise mit seinen besonderen Begabungen und mit seinen im Laufe des Lebens erworbenen Spezialisierungen zum Gelingen des Ganzen beiträgt. Auch hier wieder das Problem: Wenn man nicht weiß, was eigentlich gelingen soll, ist es schwer herauszufinden, wie man eigentlich zusammenwirken könnte.“
Gerald Hüther
„Es ist also nicht angeboren, wenn man andere mit dem Ellenbogen wegschiebt, sondern man erlernt es, und zwar viel, viel früher als wir denken! Die größte Irrlehre, die je auf dieser Erde verbreitet wurde, ist, dass Konkurrenz notwendig ist für die Weiterentwicklung. Was wir für die Weiterentwicklung der Lebensformen brauchen, ist die Begegnung und der Austausch, und das hat nicht erst beim Menschen stattgefunden, sondern schon bei den Bakterien. Bakterien tauschen Informationen aus. Sie treffen sich und bilden einen Schlauch und dann tauschen sie über diesen Schlauch Erbinformationen aus.
Das ist der Anfang des Lebens. Der Anfang all der vielen Lebensformen funktioniert über den Austausch.
Konkurrenz führt lediglich dazu, dass das, was schon da ist, so stark verstärkt wird und einzelne Fähigkeiten immer besser ausgebaut werden. Das hat aber mit Entwicklung, mit Weiterentwicklung nicht zu tun. Die Konkurrenz bewirkt, dass wir zu Spezialisten werden. Schneller, höher, weiter.
Wenn man sich weiterentwickeln will, muss man sich miteinander austauschen!“
Gerald Hüther
„Kinder brauchen genug Bewegungsspielraum für die Verankerung eigener Erfahrungen im Gehirn. Körperliche Betätigung, Sport und Bewegung sind Doping für Kinderhirne, denn: Sich zu bewegen lernen heißt fürs Leben lernen!“
Gerald Hüther
„Niemand käme auf die Idee kleine Kätzchen auf das Mäusefangen vorzubereiten, indem durch Lernprogramme zunächst das Stillsitzen und Beobachten, später das Zupacken und Festhalten und schließlich das Fressen einer Maus geübt wird. All das lernen die kleinen Kätzchen von allein, allerdings nur dann, wenn man sie nicht laufend dabei stört (ihnen also die zum Erlernen und Einüben dieser Fähigkeiten erforderlichen Spielräume nimmt), und wenn die Kätzchen Gelegenheit haben, einer anderen Katze zuzuschauen, die das Mäusefangen bereits beherrscht. Genau so geht es auch allen Säugetieren, die ein Gehirn besitzen, dessen endgültige, für die Bewältigung der jeweiligen artspezifischen Leistungen erforderliche innere Struktur erst während der Kindheit nutzungsabhängig herausgeformt wird. Menschenkinder müssen fast alles, worauf es in ihrem späteren Leben ankommt, durch eigene Erfahrungen lernen.“
Gerlad Hüther
Wikipedia-Artikel Begabung vom 28.11.2013