SCHRITT FÜR SCHRITT

Eine kurze Momentaufnahme.

Jetzt habe ich gerade die A1 Mediabox, die bei uns im Wohnzimmer gestanden ist, vom Strom und vom Netzwerk getrennt und weggeräumt, weil ich mich endlich dazu entschlossen habe, dem Fernsehteufel abzuschwören.

Immer wieder, eigentlich täglich, habe ich, wenn ich gerade nichts zu tun hatte, oder meine Gedanken baumeln lassen wollte, den Fernseher aufgedreht und mich auf der Couch faullenzend berieseln lassen, und das obwohl ich mir schon mehrmals vorgenommen hatte, dies nicht mehr zu tun, weil man ja beim Fernsehen keineswegs die Gedanken baumeln lassen oder sich entspannen kann, sondern permanent mit Informationen bombardiert wird. Zudem habe ich ab einem gewissen Zeitpunkt in meinem Leben die Leute in meiner Umgebung, die, mit stolzer Brust oder einfach so, erwähnt haben, dass sie nicht fernschauen, klammheimlich beneidet und bewundert, eben weil ich darin eine Steigerung  der Lebensqualität gesehen habe. Welche Qualität die Inhalte in der Flimmerkiste haben, lasse ich jetzt einmal unausgesprochen, meistens aber hat es sich um einen dampfenden Haufen aus dämlichen Sitcoms, beschissenen Werbeunterbrechungen und einseitiger Drecksberichterstattung, insgesamt Volksverblödung gehandelt.

Also suche ich mir in Zukunft das Amüsement, den Schrott und die Weisheiten, die ich mir über das Fernsehgerät reinziehe, selbst aus, in Form von DVDs, illegalen Downloads, Streams etc. Und somit ist die Entkopplung von der Reichspropaganda jetzt auch endlich vollzogen. Freilich scherze ich mit meinen rigorosen Übertreibungen. Vielleicht aber auch nicht. Und so kann ich mir jetzt selbst auf die Schultern klopfen, denn auch wenn ich in den kommenden Tagen vielleicht noch Entzugserscheinungen haben werde, werde ich die bisher größtenteils verkackte Zeit endlich besser nutzen können.

Zum Glück ist alles noch einmal glimpflich ausgegangen, denn während und nach meinem heutigen Kinobesuch sah ich mich schon mit dem Vorschlaghammer, der von meinem Nachbarn ausgeborgt, zufälligerweise noch immer bei mir im Keller steht, die Glotze, meinen Glasschreibtisch und andere Luxusgüter zertrümmern und mich damit auf radikalstem Wege davon befreien. Doch habe ich eben doch entschieden, nicht gleich völlig durchzudrehen, sondern einfach den nächsten Schritt zu machen.

Vielen Dank fürs Lesen!

MEIN FERNSEHER UND ICH

02_Fernseher_optimiertGestern habe ich endlich wieder einmal ferngeschaut. Ich wusste am Abend einfach nichts Besseres zu tun und als ich so im Wohnzimmer am Eisbärenfell vorm Kamin stand und gelangweilt vor mich hinüberlegte, ob ich lieber den 1734 oder den 1492 Portwein knacken sollte, da schob sich das Fernsehgerät in mein Blickfeld. Obwohl es ohnehin nicht leicht zu übersehen ist, denn mit einer diagonalen Spannweite von 27 Metern füllt es doch knapp eine ganze Zimmerwand aus. Und da ich zur Abwechslung einmal nicht auf ein Charity-Event, eine Gala, einen Ball oder anderes VIP-Getümmel eingeladen war, ließ ich mir von Henry die Fernbedienung am Silbertableau bringen und hievte meinen fetten Arsch mit einem gekonnten Hechtsprung auf das B&B Italia Sofa. Henry, mein Haushälter und Butler, war so freundlich das Gerät auch gleich einzuschalten und mir dann die Füße zu massieren. Was täte ich nur ohne Henry?

Nun ist es aber nicht ganz ohne Grund, dass ich so lange dem Flimmerkasten abgeschworen hatte: Vor mehreren Monaten nämlich, es war ein Sonntag und so gegen Mittag, läuteten auf einmal zwei Herren im Anzug bei mir zu Hause an. Sie hatten ein kleines Büchlein bei sich, in dem wohl wichtige Worte geschrieben standen und auf ihr höfliches Bitten hin, ließ Henry sie eintreten. Ich war noch im Morgenmantel und empfing sie im Vorraum auf der Chaiselongue Edwards. Bei Jasmintee und Blaubeerkuchen erklärten sie mir dann, dass ich unbedingt allem Schlechten abschwören müsse – so auch dem Fernsehen. Denn im Fernseher, da wohne der Teufel. Viel mehr noch sei der Apparat, so argumentierten sie fachlich und logisch, ein Werkzeug des Teufels, das ausschließlich zur Manipulation der Menschheit diene. Des Weiteren dürfe ich, beim Akt und auch so im Alltag, keine Kondome mehr tragen und müsse ihrem Verein viel Geld spenden.

Nun haben die Spendenchecks meinem wohlgenährten Börserl nichts ausgemacht, doch die vielen Abtreibungen, die ich all den 15-jährigen Mädels zahlen musste, die ich so dann und wann entjungfert und geschwängert hatte, waren nicht steuerlich absetzbar und so verwarf  ich die schnöden Glaubensätze, legte mir eine 100 Stück Packung hauchdünne Verhüterli zu und erlaubte es mir, wieder mal zu glotzen bis der Arzt kommt. Und wie ich so durch die Kanäle zappe und nicht recht ein passables Programm zu finden ist, bleibe ich eben beim Fußball hängen und lasse mich von 22 durchtrainierten Körpern in farbigen Kostümen und einem runden, bunt bemalten Ball begeistern. Was den Römern Brot und Spiele waren, das ist dem Wiener Bier und Fußball, so sinniere ich vor mich hin, als plötzlich eine Sturzszene immer und immer wieder gezeigt wird. Und wie ich mir noch überlege, was denn während der Wiederholungen tatsächlich am Spielfeld passiert und ob die Kicker sich währenddessen vielleicht ein Kebab kaufen gehen oder eine Tschick anrauchen, bemerke ich plötzlich, dass sich die Sportler in Balletttänzer und das Stadion in die Wiener Staatsoper verwandelt haben. Nicht ein Fußballmatch, sondern die Wiederholung der Live-Übertragung des Opernballs 2009 hat man mir vorgesetzt. Und das brauche ich nun wirklich nicht.

Also lasse ich Henry den Sender wechseln und bin dann bei der Live-Übertragung des 40. Life-Balls vor dem neuen Wiener Rathaus. Die Ansprache des frisch geouteten Bürgermeister-Kanzler Strachèe ist schon vorüber, als Gery Keszler in seinem schwebenden Hover-Rollstuhl auf die Bühne saust, um den Crystal-Meth Award ein paar abgemagerten Models zu verleihen. Die glücklichen Gewinnerinnen machen einen Stagedive in die tobende Menge und zerbrechen dabei in tausend Scherben. Doch auf der Bühne geht’s schon weiter und Michael Jackson wird von zwei Bühnenarbeitern in einem gläsernen Sarg auf die Bühne getragen und neben dem Mikrofon postiert. Mühevoll zerren sie seinen Kadaver aus dem Glaskasten und vom einen Ende der Bühne ans andere, wobei die Puppenspieler auf den Schnürböden ihr Übriges tun, um dem toten Popstar noch ein paar hippe Moves zu entlocken. Als die Playback-Version von They Don’t Care About Us dann fertig abgespielt und die zerfledderte Leiche von Michael wieder zusammengekehrt ist, zeigt man die Modenschau des ersten blinden Designers der Welt. Die Kleidungsstücke sind den Umständen entsprechend hässlich, doch Gery Keszler verleiht auch ihm einen Award. Und als der blinde Designer, mit der schicken Sonnenbrille auf der Nase, die Bühne verlassen will, stürzt er über den liegen gelassenen Glitzerhandschuh des King of Pop und fällt in den Orchestergraben, wo er im Mundstück einer Tuba landet und darin verschwindet. Gery Keszler will ihm gerade noch nachfliegen und ihn retten, da saugt sein Hoverstuhl den Handschuh ein und es gibt eine riesige Explosion…

In dem Moment wache ich schweiß- und blutgebadet auf dem Sofa auf. Alles nur ein Alptraum, vermutlich von den Teufeln im Fernseher heraufbeschworen. Henry, von meinen verzweifelten Schreien im Schlaf geweckt, eilt herbei und sieht das Schlamassel. Und es stellt sich heraus, dass ich mir zwar verkrampft auf die Lippen gebissen hatte, die roten Flecken auf meinem Morgenmantel aber vom verschütteten Portwein herrührten. Zu müde zum Gehen, schultert er mich und trägt mich hinauf in den ersten Stock ins Badezimmer, wo er mir die Zähne putzt und mein schütteres Haupthaar durchkämmt. Dann legt er mich behutsam in die weichen Federn meines Himmelbettes und singt mir ein beruhigendes Schlaflied.

JUNG UND SPRITZIG

01_Pille

Ich fühl mich jetzt endlich wieder jung. Jung und spritzig. Und daran ist nicht einmal eine Hautcreme schuld. Ich muss mich gar nicht von oben bis unten einschmieren, damit sich mein alter Körper wieder straff und jung anfühlt. Es reicht, wenn ich jeden Tag drei Kapseln schlucke. So verspricht es die Pharmafirma auf dem Beipackzettel und im Fernsehen. Drei Kapseln am Tag und Sie fühlen Sich wie neugeboren, oder so ähnlich ging dieser Werbeslogan. Aber nicht, was Sie jetzt denken, nicht irgend so ein billiger Scheiß aus dem Fernsehen, aus so einer Dauerwerbesendung, in der sich drei verrunzelte alte Frauen gegenübersitzen und auf einem kleinen Verkaufstischchen in ihrer Mitte eine Packung Tabletten steht, die perfekt in Licht und Szene gesetzt wurde und deren Inhalt von allen Alterserscheinungen befreien soll. Wobei verrunzelt sind die ja meistens nicht. Für unser Publikum vor den Fernsehgeräten nur das Beste aus den Salons der plastischen Zauberchirurgen der Creme de la Creme. Tadaaaa, ein Wunder.

Nein, alles echt und von seriösen Firmen getestet und kontrolliert. Und die Werbung ist eine echte Fernsehwerbung. Also nicht so lang und übertrieben, dafür aber wirklich gut gemacht und außerdem hat es mir eine Freundin empfohlen, die es auch schon lange nimmt. Ein bisschen skeptisch war ich am Anfang dann nämlich doch noch. Aber sie hat mir bestätigt: Kein Hokuspokus, kein doppelter Boden. Ein echtes Heilmittel. Nicht einmal mit Rückgabegarantie. Warum? Ist doch klar! Das braucht so ein Medikament ja nicht. Und Sie bekommen auch nicht noch eine Packung gratis dazu, wenn Sie jetzt gleich anrufen. Die 27 Euro pro Kapsel muss es Ihnen schon wert sein, das medizinische Lifting. Schließlich muss niemand an Ihnen herumschnipseln. Es gibt keine Narben. Also wirklich gar keine Nachteile. Naja, kaum welche.

Jetzt bin ich nämlich drauf gekommen, dass die Kapseln in China von Koreanern erzeugt werden. Schlimmer geht’s wohl echt nicht mehr. IN China und VON Koreanern. Die haben bestimmt nicht viel verdient dabei, weil faire Kollektivverträge haben die dort ja nicht, in Nordkorea. Und wie ich das so im Internet lese, kommts dann doch noch schlimmer: In den Kapsel ist die Asche von toten Kindern. Also „pulverisiertes Menschenfleisch von toten Babys und Föten“. Irgendwie grauslich, aber es hilft halt. Scheinbar geht das nur so, wenn man wieder jung sein will. Dabei hat mir die Apothekerin versichert, dass es ein wirklich gutes Produkt ist. Also unter ethisch korrekten Rahmenbedingungen hergestellt und alles „bio“. So hat sie es gesagt, ja. Und das es gegen Krebs auch helfen soll, wenn sonst wirklich nichts mehr hilft, ist natürlich auch ein Punkt auf der Liste mit den Vorteilen. Eigentlich hat es ja nur Vorteile, mein Wundermittel, bis auf das mit der Kinderasche eben.

Und damit auch alles bewiesen ist, haben die auch noch DNA-Tests gemacht! Und wirklich: Die Untersuchungen haben ergeben, dass „sie zu 99,7 Prozent aus menschlichem Material bestehen.“ Irgendwie ja schon toll, was die Wissenschaft und die Technik heutzutage schon alles können. Also jetzt nicht wegen der DNA-Tests, sondern dass die auf solche Sachen kommen. Irgendwas muss man mit den ganzen toten Menschen ja machen, vor allem in China, wo es eh so viele davon gibt. Wenn man die nur vergraben würde, dann gäbs auf der Welt ja bald nichts mehr außer halb verwesten Leichen, oder? Denn rein mathematisch gibt es mehr tote als lebendige Menschen und so schnell verwesen die eben auch nicht. Irgendwas muss man also machen und wenn es dann auch gleich noch so hilfreich ist, für einen wie mich, dann ist es doch gleich doppelt gut!

Was aber schon blöd und ein bisschen makaber ist: Die Schmuggler, also die Angestellten der Pharmafirma, haben das Zeug in die ausgehölten Bäuche der Teddybären mancher der kleinen Fratzen gesteckt, die verfrüht „das Hangerl gworfen“ haben und so versucht, die Grenze nach Südkorea zu passieren, von wo aus mein Wundermittel nach Europa hätte verschifft werden sollen. Doch den Lastwagen mit Teddybären, die nach frisch Gegrilltem gerochen haben, dürften die denen dann doch nicht abgekauft haben. Und deshalb: Ende Gelände. Aus die Maus. Vorbei mit der Hexerei.

Mein Problem ist jetzt, dass die kleinen Falten unter den Augen langsam aber sicher wieder an ihren angetrauten Platz zurückkommen und mein alter Freund der Lungenkrebs sich auch gerade wieder einnistet. Tja, dann bleibt mir doch nichts anderes mehr übrig, als wieder meine allabendlichen Streifzüge durch die Krankenhäuser der Wiener Randbezirke zu machen und mir von den Böden der Kreißsäle ein paar liegen gelassene Mutterküchlein für den Nachtisch zu holen.